Sigrid Stagl über die grüne Transformation

Eine ökonomische Notwendigkeit

Für die Ökonomin und Wissenschaftlerin des Jahres Sigrid Stagl ist das Erreichen von gesellschaftlichen Zielen von größerer Relevanz als Wirtschaftswachstum. Mit INSPIRE sprach sie über die grüne Transformation und warum die Kosten der Umstellung viel niedriger sind als die Folgekosten durch den Klimawandel.

Wirtschaft mit Klimaschutz zu verbinden ist seit vielen Jahren Ihre Mission als Ökonomin. Wie ist aus dieser Perspektive derzeit Ihr Blick auf die Welt und Österreich?

Sigrid Stagl: Sorgenvoll, weil man den Eindruck gewinnt, dass der Klimaschutz bei Entscheidungsträger:innen in den Hintergrund gerückt ist. Das ist ein bisschen verständlich, weil es andere Sorgen gibt. Aber der Klimawandel schreitet immer weiter voran. Es wird täglich dringender und zugleich schwieriger, die Lösungen auf den Boden zu bringen, wenn man zu wenig tut. Das ist eben der Unterschied zwischen einer punktuellen und einer latenten Krise. Die punktuelle bekommt volle Aufmerksamkeit, Beispiel Covid. Die sich seit Jahrzehnten zuspitzende Klimakrise scheint dazu einzuladen, adäquate Maßnahmen noch immer weiter hinauszuschieben. Das ist menschlich verständlich. Für Veränderung brauchen die meisten gute Begründungen. Diese guten Gründe liefert die Wissenschaft seit Jahrzehnten. Das Problem ist, wir haben bei der Klimakrise eine ökonomische Missinterpretation im öffentlichen Diskurs. 

Was ist diese Missinterpretation?

Sigrid Stagl: Es entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, es kostet etwas, wenn man die Transformation angeht. Das stimmt, wir müssen Infrastruktur erneuern, Produktionsweisen anpassen, neue Technologien nutzen. Nur wird in der öffentlichen Debatte gerne das Bild von entweder … oder gezeichnet.

Ein völliger Irrtum, oder?

Sigrid Stagl: Ja, absolut. Weil dieses Oder viel mehr kosten wird, Milliardenbeträge allein für Österreich. Die Kosten der Umstellung sind viel niedriger als die Folgekosten. Die werden drei- bis sechsmal höher sein, das sind derzeit die Erwartungen. Das ist eine klare ökonomische Begründung für die Umstellung. Und genau das muss im öffentlichen Bewusstsein verankert werden. Dazu gehört auch, den wesentlichen Unterschied zwischen laufenden Kosten und Investitionen verständlich zu machen. Das wird in den öffentlichen Diskussionen nicht gut genug unterschieden. Was uns als Investition im Moment eventuell schmerzt, wird uns jahrzehntelang nützen. Das wunderbare Beispiel dafür sind Österreichs Wasserkraftwerke.

„Das Wichtigste wäre einmal, dass man Klimapolitik außer Diskussion stellt. Weil wir sie brauchen, um unsere Lebensgrundlagen zu sichern.“
Sigrid Stagl
Ökonomin und Wissenschaftlerin des Jahres

Die E-Wirtschaft sagt sehr klar, dass sich Windräder und Photovoltaik bei passender Infrastruktur rechnen, je früher, desto besser. Ist das bei den Menschen nicht angekommen?

Sigrid Stagl: Bei vielen ist das längst angekommen, die wissen, warum erneuerbare Energien richtig cool sind, weil sie nicht nur klimaneutral produzierten Strom liefern, sondern auch die Wertschöpfung im Land lassen. Wir sparen uns die Treibstoffkosten, die wir in vielen Milliarden an unfreundliche Staaten überweisen, wir werden geopolitisch weniger erpressbar. Lieferunterbrechungen sind sehr teuer. Die Resilienz wird durch die Erneuerbaren erhöht.

Ist die E-Wirtschaft der Hoffnungsträger, wo viele andere Bereiche im Klimaschutz auslassen? Gibt ihr die Politik für diese Rolle genug Spielraum?

Sigrid Stagl: Dort ist in den vergangenen Jahren schon sehr viel gelungen, den Strombedarf haben wir im Vorjahr zu 85 Prozent aus Erneuerbaren decken können. Aber beim gesamten Energiebedarf schaffen wir das erst zu 35 Prozent. Da gibt es sehr viel Luft nach oben. Was braucht es? Es gehören die Vorteile der Erneuerbaren noch mehr in den Vordergrund gerückt. Es gelingt offensichtlich nicht von allein, dass Menschen innerhalb ihrer Lebenswelt ihre Ziele optimieren. Die können nicht systemisch an die gesamte Energiewende denken. Die meisten sind auch mit Klimawissenschaften nicht vertraut. Das führt oft zu Lösungen, die anders sind als das, was systemisch wünschenswert ist.

Das vollständige Interview finden Sie in unserem INSPIRE Magazin.

Zur Person

Sigrid Stagl

Sigrid Stagl ist Professorin für Umweltökonomie und Politik an der Wirtschaftsuniversität Wien, wo sie das Institut für Ökologische Ökonomie gegründet hat. Ihre Arbeit befasst sich mit gesellschaftlichen Herausforderungen wie der Klimakrise, Umweltproblemen und Ungleichheit. Derzeit ist sie Leiterin des Instituts für Ökologische Ökonomie und Direktorin des Kompetenzzentrums STaR.