VERBUND-CEO Michael Strugl über die Energiewende

Vieles ist machbar – wenn wir es wollen und anpacken. Die Zukunft liegt in unserer Hand. Denn gemeinsam sind wir die Kraft der Wende. Ein Plädoyer von Michael Strugl.

Die Zukunft beginnt jetzt. Wenn ich an Österreich im Jahr 2040 denke, dann leben wir in einem Land, das von erneuerbaren Energien angetrieben wird und in dem Ressourcen effizient und vernünftig genutzt werden. Ein Land, in dem es gesellschaftlicher Konsens ist, gemeinsam die Klimakrise abwenden zu wollen und die Lebensqualität auf unserem Planeten zu erhalten. Eine Utopie? Vieles von dem, was uns heute unrealistisch erscheint, ist machbar – wenn wir es nur wollen.

Die europäische Energiewelt hat sich gedreht

Wir stehen an einem beispiellosen Wendepunkt. Seit dem Einmarsch russischer Truppen im Februar 2022 in der Ukraine ist nichts mehr, wie es war. Vergleichsweise günstiges Pipelinegas aus Sibirien steht nicht mehr oder nur eingeschränkt zur Verfügung. Das hat sich auch massiv in den Strompreisen niedergeschlagen, denn nach wie vor müssen Gaskraftwerke einspringen, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. Bis 2027 soll Europa laut EU-Kommission gänzlich von russischem Gas loskommen, 2050 soll gar kein Gas mehr verbrannt werden. Was bedeutet das für unsere Zukunft? Wie können wir die Energieversorgung sichern und wie die Energiewende schaffen?

Was machbar ist, hat Deutschland eindrucksvoll gezeigt. Was vorher als schier unmöglich galt, ging beim Bau von Flüssiggasterminals plötzlich doch: Verfahren wurden dramatisch beschleunigt. Dieses rekordverdächtige Tempo wäre in Österreich beim Ausbau der Erneuerbaren samt Netzinfrastruktur gefragt. Denn die Herausforderungen sind gigantisch: Für ein CO2-neutrales Wirtschaftssystem bis 2040 müssten alle fossilen Prozesse auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Bis dahin wird zudem der Strombedarf massiv steigen – laut dem kürzlich vorgelegten Entwurf des österreichischen Netzinfrastrukturplans von 71 Terawattstunden im Jahr 2020 auf 125 Terawattstunden 2040.

Gemeinsam den Ausbau vorantreiben

Wir müssen beim Ausbau erneuerbarer Energien größer denken. Freiflächenanlagen für Photovoltaik müssen künftig ebenso selbstverständlich zum Landschaftsbild gehören wie Windparks. Beide Technologien spielen eine zentrale Rolle, damit unser Land klimaneutral werden kann. Doch um Akzeptanz dafür zu schaffen, müssen wir die Bürger:innen und die Lokalpolitik frühzeitig in die Projektplanung einbinden. Auch Beteiligungsmodelle werden immer wichtiger, damit Projekte tatsächlich umgesetzt werden können. Dazu ist auch die Politik auf regionaler und lokaler Ebene gefragt: Sie muss ihre Verantwortung für die sichere Energieversorgung wahrnehmen, wir brauchen ihre aktive und unterstützende Rolle!

Eine weitere Schlüsseltechnologie für die Energiewende ist grüner Wasserstoff. Der CO2-freie Energieträger lässt sich als Gas in industriellen Prozessen nutzen, er kann Fahrzeuge antreiben sowie Energie speichern. Das macht ihn zum Gamechanger für die Dekarbonisierung von Industrie und Schwerverkehr. Das Ziel, bis 2030 ein Gigawatt Elektrolysekapazität aufzubauen, ist aus jetziger Sicht ambitioniert. Zudem muss künftig ein großer Teil an Wasserstoff importiert werden. Daher gilt es, jetzt den Rahmen für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft in Österreich und Europa zu gestalten.

Michael Strugl ist CEO bei VERBUND. Bild Copyright VERBUND.

„Ja, dieser Wandel ist schwierig. Ja, er wird uns Kraft und gewaltige Anstrengungen kosten. Und ja, wir werden viele Steine aus dem Weg räumen müssen. Aber es ist möglich.“

Michael Strugl
CEO bei VERBUND AG
Bild: Copyright VERBUND

Wir brauchen einen Turbo bei der Energiewende

Wir müssen die Energiewende beschleunigen. Bis 2030 benötigen wir laut Entwurf zum Netzinfrastrukturplan 39 Terawattstunden (statt 27 Terawattstunden gemäß Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz) und bis 2040 sogar 69 Terawattstunden mehr Grünstrom. Dazu müssen dringend die notwendigen Flächen für die zusätzlich benötigten Windkraft- und Photovoltaikanlagen ausgewiesen werden. Auch wenn die Politik beim UVP-Gesetz Beschleunigungsschritte gesetzt hat – das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz fehlt immer noch. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Netzinfrastruktur: Ohne leistungsfähige Stromnetze samt flexiblen Speicherkapazitäten kann die Energiewende nicht gelingen.

Allein VERBUND plant in den kommenden zehn Jahren Investitionen in die Energiewende von rund 15 Milliarden Euro. Das Geld soll unter anderem in neue Erzeugungsanlagen, Stromleitungen und zusätzliche Pumpspeicherkraftwerke fließen. Dahinter stehen zahlreiche Einzelprojekte, die zum Teil schon lange vorgesehen sind und auf ihre Genehmigung warten. Die steigenden Zinsen machen die Finanzierung der Projekte komplizierter. Dass auch noch Teile des Gewinns der Energieversorger abgeschöpft werden, schwächt den finanziellen Muskel gerade der Unternehmen, die den Ausbau der Versorgungssicherheit zügig voranbringen sollen.

Blicken wir zurück und nach vorne

Trotzdem bin ich überzeugt, dass die Energiewende gelingen kann. Dabei hilft ein Blick zurück: Nach dem Zweiten Weltkrieg haben unsere Vorfahren – angetrieben durch den Glauben an die Zukunft – schier Unmögliches geschafft: Sie haben ein Land und einen Kontinent, der in Schutt und Asche lag, gemeinsam in ein neues, prosperierendes Zeitalter überführt. Diese Überzeugung brauchen wir auch heute. Wir müssen daran glauben, dass wir alle an einem Strang ziehen und eine nachhaltige und kohlenstoffarme Wirtschaft aufbauen können. Wir müssen die Energiewende vorantreiben, Erneuerbare ausbauen und neue Technologien weiterentwickeln. Ja, dieser Wandel ist schwierig. Ja, er wird uns viel Kraft und gewaltige Anstrengungen kosten. Und ja, wir werden viele Steine aus dem Weg räumen müssen. Aber er ist möglich. Packen wir’s an, denn gemeinsam sind wir die Kraft der Wende!

Zur Person 

Michael Strugl ist seit Jänner 2021 Vorstandsvorsitzender von VERBUND sowie Präsident von Oesterreichs Energie, der Interessenvertretung der E-Wirtschaft. Mit der Mission V hat er sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: die Energiewende entschlossen voranzutreiben.

Beim INSPIRE energy summit sprach er nicht nur über die Verantwortung, die wir den kommenden Generationen gegenüber haben, sondern er zeichnete auch ein positives Bild von der Zukunft. Mehr darüber erfahren Sie im Video.