8 Erfolgsfaktoren für den Wandel

Innovation ist der Schlüssel für eine CO2-freie Energiezukunft. Nur mit neuen Technologien, neuen Herangehensweisen und einem neuen Mindset lassen sich ambitionierte Klimaziele erreichen. Wir haben Expert:innen befragt, wie Unternehmen die Energiewende vorantreiben können.

1. Innovationsfelder: Den Blick in die Zukunft richten

Schon heute ist Österreich in Spezialfeldern wie der Zulieferung von Teilen für innovative Energietechnologien, Wärmepumpen, Solarthermie oder dem klimaneutralen Bauen gut aufgestellt. Mit der bis 2040 angestrebten Klimaneutralität tun sich weitere Chancen auf. „In Zukunft wird sich vieles um Energieflexibilität und Kreislaufwirtschaft drehen“, ist Volker Schaffler, Leiter der Abteilung Energie- und Umwelttechnologien im Klimaschutzministerium, überzeugt. In der Folge könnten neue technologische Lösungen und innovative Services an Bedeutung gewinnen: von Stromspeichern über Carbon Capture Utilisation (Abscheidung und Nutzung von CO2) bis zum vorausblickenden Datenmanagement. Auch die Anlagenbaubranche, die es erst ermöglicht, Energietechnologien zu produzieren, ist für Volker Schaffler ein „noch nicht gehobener heimischer Schatz.“

Strategisches Trend- und Forecast-Management hilft Unternehmen, Innovationsfelder zu erkennen und mitzugestalten. Dabei ist es wichtig, frühzeitig Fördermöglichkeiten zur Abfederung des wirtschaftlichen Risikos zu bedenken. Das Klimaschutzministerium plant etwa für 2024 bis 2026 eine Innovationsoffensive: Rund 2 Milliarden Euro sollen in Forschung, Technologie und Innovation (FTI) fließen – darunter in Schwerpunkte wie Energiewende, Produktion und Kreislaufwirtschaft. Generell gelte es, bei der Entwicklung von Innovationen über den Tellerrand zu blicken: „Rein österreichische Projekte gibt es heute kaum noch, Forschung und Technologieentwicklung.“

Volker Schaffler leitet die Abteilung Energie- und Umwelttechnologien des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK).

Volker Schaffler

leitet die Abteilung Energie- und Umwelttechnologien des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK).

2. Vision und Mindset: Offen und flexibel an Chancen herangehen

Die Umsetzung der Energiewende erfordert den aktiven Einsatz der Wirtschaft. „Eine kluge Regulierung schafft die Voraussetzungen. Doch die Transformation unseres Energiesystems kann nur gelingen, wenn sie von den Unternehmen selbst getragen wird. Dabei ist Innovation der größte Faktor“, sagt Werner Hoffmann. Er leitet das Institut für Strategisches Management an der Wirtschaftsuniversität Wien und begleitet Firmen als Unternehmensberater unter anderem auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Das veränderte Marktumfeld erfordere von diesen vor allem zwei Eigenschaften: Resilienz, um mit Unsicherheiten klarzukommen, und Agilität, um neue Chancen zu nutzen und Innovationen skalieren zu können.

Um sich in einem zunehmend dynamischen Marktumfeld (VUCA = Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) zu behaupten, muss sich auch das Mindset vieler Unternehmen ändern. „Offenheit für die Exploration von neuen Ideen sowie Kooperationen mit neuen Playern im Marktumfeld“ nennt Anton Schilling, Managing Partner der Wiener Innovationsberatung Pioneers, als Voraussetzungen. „Wir sehen die Herausforderungen, getrieben durch die Erwartungshaltungen von Kund:innen und Umwelt, als Chance für Unternehmen, sich strategisch neu zu positionieren. Eine visionäre Neuausrichtung ist ein essenzieller Grundbaustein, um den Wandel erfolgreich zu bestreiten.“

Anton Schilling ist Managing Partner der Innovationsberatung Pioneers.

Anton Schilling

ist Managing Partner der Innovationsberatung Pioneers. Sein Ziel: Innovation in Unternehmen für nachhaltiges Wachstum fördern.

3. Unternehmenskultur: Ein klares Bekenntnis zu Innovation

In einem sind sich die befragten Expert:innen einig: Für erfolgreiche Innovation braucht es Ideen, Mut und Begeisterung. Erfolge gehören offen kommuniziert und Mitarbeitende ermuntert, ihre Impulse einzubringen. „Es ist wahnsinnig wichtig und gleichzeitig herausfordernd, die treibenden Kräfte zu motivieren und langfristig auf die Innovationsreise mitzunehmen“, sagt Anton Schilling. Eine gute Innovationskultur erfordert Diversität. Es braucht nicht nur technische, sondern beispielsweise auch wirtschaftliche, rechtliche oder soziale Kompetenzen. Dazu kommt: In den einzelnen Phasen der Entwicklung sind teilweise ganz andere Fähigkeiten gefragt.

Kein Wunder also, dass die Unternehmenskultur neben der Strategie, den Ressourcen und Strukturen ein Knackpunkt ist, an dem viele Innovationen scheitern. „Die beste Innovationsstrategie nützt nichts, wenn die Kultur im Unternehmen bürokratisch und damit innovationsfeindlich ist“, betont Werner Hoffmann. Das Senior Management muss die entsprechenden Haltungen und Einstellungen vorleben und von seinem Team einfordern. Und auch die interne Kommunikation spielt eine zentrale Rolle – denn auch die nicht direkt betroffenen Kolleg:innen sollen den Innovationsgeist spüren und Projekte mittragen.

Werner Hoffmann leitet das Institut für Strategisches Management (ISM) an der Wirtschaftsuniversität Wien und ist Strategie- und Managementberater bei EY-Parthenon.

Werner Hoffmann

leitet das Institut für Strategisches Management (ISM) an der Wirtschaftsuniversität Wien und ist Strategie- und Managementberater bei EY-Parthenon.

4. Strategische Partnerschaften: Win-win-Situationen schaffen

Fest steht: Kein Unternehmen kann die Energiewende allein stemmen. Kooperationen eröffnen neue Perspektiven und schaffen Win-win-Situationen. Ein Beispiel ist der VERBUND X Accelerator: Seit 2019 bringt das Energieunternehmen europäische Climate-Tech-Startups mit starken Corporate Partnern zusammen. „Beide Seiten profitieren voneinander: Startups, die Zugang zu Märkten und Kund:innen erhalten, und etablierte Unternehmen, die so rasch neue Ideen und Technologien vorantreiben und sich strategisch einbringen können“, betont Franz Zöchbauer. Er leitet den Bereich Corporate Innovation & New Business bei VERBUND.

Dabei ist eine gesamtheitliche Sicht wichtig, wie Tanja Spennlingwimmer betont. Sie ist Leiterin des Geschäftsfelds IP Management, Deep Technologies und Entrepreneurship bei der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws). „Grüne Innovation braucht auch soziale Innovation, denn wir müssen die Gesellschaft auf die Reise mitnehmen. Und sie erfordert Digitalisierung, weil Daten ganz wesentlich sind, um Energie noch effizienter einzusetzen.“ So fördert die aws über das Preseed- und Seedfinancing-Programm etwa die Weiterentwicklung innovativer und auch grüner Gründungsideen mit Mehrwert für die Gesellschaft. Pro Jahr werden rund 80 solcher Vorhaben unterstützt.

Franz Zöchbauer ist Managing Director der VERBUND Ventures GmbH und leitet den Bereich Corporate Innovation & New Business bei VERBUND.

Franz Zöchbauer

ist Managing Director der VERBUND Ventures GmbH und leitet den Bereich Corporate Innovation & New Business bei VERBUND.

5. Entwicklung: Neue Technologien und kollaborative Innovationssysteme

Vom smarten Energiespeicher über immer effizientere Solarpaneele bis zur Aufrüstung von Gasnetzen für den Transport von grünem Wasserstoff: Die Energiewende ist eng mit neuen Technologien verbunden. Die Internationale Erneuerbare Energieagentur (IRENA) nennt allen voran den Einsatz von erneuerbaren Energien, den Ausbau der Energieeffizienz sowie die Elektrifizierung als Stellschrauben zur Emissionsreduktion bis 2050. Doch keine Technologie wird für sich die Energiewende voranbringen und Klimaprobleme lösen. Das erfordert Zusammenarbeit und Vernetzung.

Neben Unternehmen und Startups sind Universitäten und andere Forschungseinrichtungen zentrale Akteure bei der Entwicklung von Innovationen mit Mehrwert für die Gesellschaft und die Umwelt. Tanja Spennlingwimmer betont die Bedeutung kollaborativer Innovationssysteme: „Durch gemeinsames Arbeiten an Themen lassen sich Innovationen viel rascher vorantreiben – und Geschwindigkeit ist heute alles.“ Dabei sind zunehmend branchenübergreifende Kollaborationen gefragt: „Energie und Nachhaltigkeit ist ja kein Sektor per se mehr, sondern ein großes Themengebiet, das unterschiedliche Ansätze erfordert.“

Tanja Spennlingwimmer leitet das Geschäftsfeld IP Management, Deep Technologies und Entrepreneurship bei der aws als Förderbank des Bundes.

Tanja Spennlingwimmer

leitet das Geschäftsfeld IP Management, Deep Technologies und Entrepreneurship bei der aws als Förderbank des Bundes.

6. Innovationsprozess: In mehreren Phasen ans Ziel

Am Beginn des Innovationsprozesses steht zumeist ein konkretes Problem aus Sicht der Kund:innen: „Dieses wird analysiert und dafür über mehrere Validierungsschritte dann eine Lösung entwickelt“, sagt Anton Schilling. Auf den Problem Solution Fit folgt der Product Market Fit mit einem ersten „Minimum Viable Product“ und eingeschränkten Funktionen. Ist das Produkt fit für den Markt, steht die Skalierung an. „Dabei geht es darum, so viel wie möglich zu automatisieren sowie die Customer Experience zu verbessern, um exponentielles Wachstum zu ermöglichen.“

Die Entwicklung neuer Lösungen erfordert methodische Zugänge und Prozesse. Erste Ideen werden vielfach mithilfe von Design Thinking entwickelt, Lean-Startup-Zugänge helfen, diese auszuarbeiten, Experimente zu starten und Erkenntnisse zu gewinnen. Agiles Projektmanagement unterstützt in der Umsetzung bei der Priorisierung von Produktfeatures und bringt Projekte schneller ans Ziel. „Viele der genannten Innovationsmethoden lassen sich bereits durch generative künstliche Intelligenz unterstützen. Da passiert aktuell sehr viel“, erzählt Schilling.

 

7. Ressourcen: Innovation braucht Finanzierung

Die Entwicklung von Innovationen für die Energiewende erfordert Geld und Ressourcen. Investments in Startups können Prozesse beschleunigen. Wie, zeigt unter anderem VERBUND X Ventures. „Wir fokussieren uns auf die Gründung von Corporate Startups und Investments in europäische Climate-Tech-Startups“, sagt Franz Zöchbauer, der die Corporate Venture Unit leitet. Das Corporate Startup HalloSonne bietet Photovoltaikanlagen für Privatpersonen zum Mieten oder Kaufen an. Zuletzt wurde in das österreichische Startup UBIQ investiert, einen Anbieter von KI-gestützten Services für Flottenmanagement im Shared (E-)Mobility-Bereich.

Wie wichtig die Förderung von Startups für die Zukunft ist, weiß auch Dan Matthies, Mitgründer und CEO des globalen Venture-Capital-Unternehmens und Think Tanks Reaction. Mit einem globalen Team und Partner:innennetzwerk betreibt Reaction zwei nachhaltige Fonds und vernetzt engagierte Gründer:innen, Partner:innen sowie Institutionen rund um den Globus. „Unsere Mission als Organisation ist es, in einem Jahrzehnt das Leben von einer Million Menschen zu verbessern, indem wir Innovationen skalieren.“ Damit ein Projekt erfolgreich durchstartet, komme es neben der Finanzierung aber auch noch auf weitere wesentliche Aspekte an: wie das Timing, das Team, die Idee und die Umsetzung.

Dan Matthies ist Mitgründer und CEO von Reaction, einer globalen Community und eines Venture Fonds, der in die Lösung schwieriger globaler Herausforderungen investiert.

Dan Matthies

ist Mitgründer und CEO von Reaction, einer globalen Community und eines Venture Fonds, der in die Lösung schwieriger globaler Herausforderungen investiert.

8. Technologie- und Marktreife: Ideen auf den Boden bringen

Der Weg zur Marktreife ist mitunter aufwendig. Je früher sich herausstellt, ob eine Innovation technisch und wirtschaftlich machbar ist, desto größer sind die Chancen auf Umsetzung. Was wir dabei von anderen Nationen lernen können? „Die stärkere Kund:innennähe schon bei der Entwicklung. Das heißt: viel früher Prototypen oder Demoversionen zu entwickeln und diese bei den Kund:innen zu testen“, sagt Tanja Spennlingwimmer. Sie verweist auf einen weiteren wichtigen Aspekt: den Innovationsschutz. „Viele kleine und mittlere Unternehmen haben den Schutz ihres geistigen Eigentums nicht so am Radar. Dabei ist dieser extrem wichtig, um sich im internationalen Wettbewerb zu schützen.“ Die aws unterstützt Unternehmen dazu mit Beratung und Zuschüssen.

Bei der Entwicklung von Innovationen dürfen auch Fehler passieren, denn nur dann kann Neues entstehen. „Man muss viele Innovationen auf die Reise schicken und in kleineren Investitionsschritten (Experimenten) vorangehen. Nur so lassen sich relativ schnell weitere Erkenntnisse sammeln“, sagt Innovationsberater Anton Schilling. Und fast ebenso wichtig ist es, zu dem Punkt zu kommen, wo Dinge als gescheitert betrachtet und abgedreht werden dürfen. Auch Scheitern gehört zur Weiterentwicklung. Denn auch da sind sich die Expert:innen einig: Die wirklich guten Ideen setzen sich letztlich durch.